Mittwoch, 15. April 2009

Politik um Mitternacht

Eigentlich sollte der Zug nach Chittagong schon 23.30 Uhr da sein, aber er wird sich eine Stunde verspäten. Für die Bangladeschis am Bahnhof weniger eine Überraschung, als vielmehr eine Gelegenheit ins Gespräch zu kommen. Hamidul, vielleicht Mitte Dreißig, arbeitet für eine lokale NGO. Korruption in der staatlichen Eisenbahngesellschaft sei der Grund für die Verspätung des Zuges, dagegen könne man nichts machen. Und Korruption sei auch der Grund, warum die meisten seiner Landsleute noch immer in Armut lebten, trotz imposanten Wirtschaftswachstums der letzten Jahre. Woran es fehle, sei "leadership" in der Regierung, Politiker mit Führungsqualitäten.
Das Gespräch lenkt sich auf mich. Woher ich komme und was ich in Bangladesch mache, will er wissen. Als ich antworte, dass ich Deutscher sei und für die GTZ arbeite, ernte ich Anerkennung. Das ist meistens so. Bisher hatte ich immer das Gefühl, dass vor allem letzteres gewürdigt wird. Obwohl keine sehr große Organisation in Bangladesch, ist die GTZ doch recht bekannt. Aber etwas anderes scheint Hamidul wichtig zu sein. "I for myself like Hitler" fährt er unvermittelt fort. Eine starke Führungspersönlichkeit sei das gewesen, außerdem gegen die Briten und Amerikaner...und gegen die Juden. Etwas perplex antworte ich, dass Hitler vor allem ein Massenmörder gewesen sei, der einen furchtbaren Krieg vom Zaun gebrochen habe. "This guy was too aggressive and to kill the jews was one of the biggest crimes in history!", sage ich weiter. Aber die Juden seien doch der gemeinsame Feind der Christen und Muslime und überhaupt...(und da fällt es, das Reizwort für die muslimische Welt) Israel, sei ja auch aggressiv, antwortet er. Die Zahl der interessierten Zuhörer um uns herum hat in den vergangenen Minuten zugenommen und nachdem Hamidul das "böse Wort" ausgeprochen hat, warten diese gespannt auf meine Antwort. Jetzt ist Diplomatie gefragt. Zu viele Emotionen weckt die Israel-Frage in der islamischen Welt, als dass man sie in einer schwül-heißen Nacht, wie dieser, auf einem völlig überfüllten bangladeschischen Bahnhof diskutieren sollte. Politik kann in Bangladesch schon am Tag schnell hitzig werden. Vorsichtig sage ich, dass Israel ja eine direkte Folge der Nazi-Aggression sei und Hitler daher eigentlich nicht beliebt sein dürfte bei den Muslimen. Zu meiner Erleichterung sehe ich in diesem Moment (Dank an Allah und die Bangladesh Railway) den Zug einrollen, klopfe Hamidul auf die Schulter und verabschiede mich mit einem Lächeln.
Sympathien für Hitler habe ich schon ein paar mal aus dem Mund von Bangladeschis gehört. Das meinen die Leute in der Regel ganz im Ernst. Dazu ist vielleicht interessant zu wissen, dass die Befreiungsbewegung im Indien der Vierziger Jahre (zudem Bangladesch damals noch gehörte) gegen die britische Fremdherrschaft im bengalischen Teil Indiens ihren Anfang nahm. Sie profitierte natürlich von der Schwäche Großbritanniens nach dem Krieg. In diesem Sinne stellt sich Hitler manchen Leuten, in Unkenntnis der ganzen Geschichte und gemessen am Ergebnis für den Subkontinent, gar als etwas Positives dar.

http://www.transparency.org/news_room/in_focus/2008/cpi2008/cpi_2008_table

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